BLOG Müller unterwegs

Hallo!
In diesem Blog werde ich von meinen Reiseaktivitäten berichten. Fast alle meine Reisen mache ich mit dem Rad. Wer wissen möchte was Müller in seiner Abwesenheit so erlebt, sollte hier immer mal wieder vorbei schauen.

Hallo!
in this blog I will write about my traveling activities. I am doing most of my journeys by bicycle. Maybe you want to be up to date, knowing what Müller is doing when not at home. So this is the right address to be up to date...

Wie war das noch mal in Lauscha?

Vier Wochen habe ich mich in Thüringen herum gedrückt. in einer Stadt die man noch nicht mal leicht findet wenn man es darauf an legt. In einer Gegend in der der Straßenbau sich große Mühe gibt, komplette Orte von der Zivilisation abzuschneiden und die sich durch noch viele, weitere Eigenarten auszeichnet.

Was hat mich eigentlich dort hin gebracht? Angefangen hat das alles letzten Herbst bei Kommunistens auf dem Pressefest in Wischlingen in der Kunsthalle. Da hat mich der Mann in der Nachbarbucht angesprochen ob ich mich mit meinen Panorama-Bildern nicht für ein Stipendium der Goetheschule in Lauscha bewerben möchte. Sie hätten dort viele verlassene Orte die nur auf mich warten würden…

Und so kam es dann auch: Ich hab mir ne schöne Bewerbung raus geschraubt, die Unterlagen eingeschickt und tatsächlich bin ich genommen worden. Mitte Mai fand ich in das enge Tal in dem sich die verschindelten Häuser dich aneinander gedrängt am Berg hoch robben und machte mir Gedanken wie ich meinem Ruf als Lost Places Fotograf gerecht werden könnte. Eigentlich nichts einfacher als das, wenn bereits in der direkten Nachbarschaft bereits ein attraktives, leise vor sich hin verrottendes Bahnhofsgebäude nur darauf wartet nur entdeckt zu werden…

Hätte eigentlich laufen können wie immer wenn ich irgendwo in der Gegend mit meiner Kamera auftauche: Anpirschen, rein gehen, Fotos machen und wieder raus. Müller aufs Rad und weg…

Allerdings hatte ich kein Fahrrad dabei und an ‘weg’ war schon mal gar nicht zu denken. Ich bin nicht von hier und jeder der ich hier sieht weiß auf den ersten Blick: ‘der Typ ist nicht von hier und will wer-weiß-was’. Von ‘unauffällig’ konnte bei mir wirklich nicht die Rede sein.

Was ich die vier Wochen in Lauscha gemacht habe wäre mit Sicherheit nicht möglich gewesen wenn die Leute im Umkreis der Goetheschule nicht so zutraulich gewesen wären. Sie haben mir bei so manchem Sterni Geschichten aus Lauscha erzählt, mir eigenartige Kartenspiele beigebracht und mir Orte gezeigt die ich ohne ihre Hilfe nicht gefunden hätte und sie haben sich sogar dazu bereit erklärt in meinen Fotos das Modell zu markieren.

Rückblickend war’s wie in einem Paradies für Fotografen: Alles fussläufig erreichbar, Menschen die sich gern mit mir getroffen haben und sich jede Menge Hintergrund. Als die vier Wochen vorbei waren hätte ich durchaus noch länger bleiben können. Aber das stand schon die nächste Künstlerin in den Startlöchern. Dieses Mal ist es eine Glaskünstlerin - sie passt irgendwie besser in eine Gegend die von Glashandwerk geprägt ist wie kaum eine Andere. Ich glaube, wie wird mit einem ähnlich positiven Eindruck aus diesem Ort weg gehen müssen wie ich.

Hier werden die Wochentage nach Eis-Sorten benannt, Freitags ist Wurst-Tag und im Penny am Ortseingang sprechen sie eine Sprache die ich nicht verstehe - außer sie unterhalten sich mit mir. Hier gibt es den einzigen ewigen Weihnachtsbaum in Thüringen, Autos werden grundsätzlich mit untergelegtem Bremskeil geparkt und bis auf den Schiefer ist hier fast alles aus Holz - also, bis auf das Glas und die Sachen die sie hier daraus machen. Und sie machen es wirklich überall - im Wald, auf dem Berg, im Tal und praktisch überall in den Häusern - jeder macht irgendwas mit, für oder aus Glas. Es ist der Grund warum es Lauscha überhaupt gibt, es ist bestimmend für seine Vergangenheit, die Gegenwart und sehr wahrscheinlich auch seine Zukunft. Vielleicht konnte ich mit meiner Flachware einen Beitrag für den Ort liefern und vielleicht erinnern sich die Leute hier noch eine Weile an mich - ich für meinen Teil werde mich jedenfalls noch länger an meine Zeit in Lauscha erinnern.

Mein soziales Umfeld hat sich seit meiner Rückkehr an meine Geschichte über Glas, Schiefer und Thüringen gewöhnt - ich gelte inzwischen als Fachmann für die Verarbeitung von Sand und Pottasche. Mal sehen, wie lange sie das noch aushalten…

Leute, wenn Ihr drüber nach denken solltet, Euch mit einer abgelegenen, aber sehr interessanten Gegend auseinander zu setzen - zögert nicht. Da gibt es viel zu entdecken. Und eine schöne Bleibe für die Gastkünstler haben sie auch.

Mir hat es jedenfalls viel Spaß gemacht.


Die Farbglas-Hütte

Mitten in Lauscha liegt die Farbglashütte - dort wird, wie der Namen schon sagt, Glas in allen Farben her gestellt. Das gibt es in Stangen und Röhren in einer Qualität und in Eigenschaften wie sie auf der Welt fast nirgendwo zu bekommen sind.

Hier ist auch das Museum für Glaskunst, das Exponate aktueller Glaskünstler und Glaskunst aus den vergangenen 300 Jahren zeigt.

Bei den Werken aktueller Künstler kann ich nur sagen. ‘also, ich könnte es nicht…’ Ich habe in den Galerie die Namen der Kunstwerke und die der Künstler hinterlegt.

Es wurden wohl schon sehr früh auch Skulpturen aus Glas hergestellt - die Produktion kam im frühen 20. Jahrhundert so richtig in Schwung - mit dem Erstarken des Bürgertums entstand ein erhöhter Bedarf an dekorativen Elementen. Jagdmotive erfreuten sich anfangs hoher Beliebtheit. Zu Zeiten des Jugendstils wurden auch kariakturistische Figuren erschaffen und es kam zur Zusammenarbeit zwischen gestaltenden Künstlern und Glasmachern. Die Figuren zeugen von hohem Können und sind teilweise so zeitlos das man sie nicht eindeutig in der Zeit ihrer Erschaffung verorten kann.

Nun waren dekorative Jagdszenen nicht das was die Familien im Tal satt machte - das große Gewerbe in Lauscha ist die Herstellung von Christbaumschmuck. Seit über 100 Jahren stellt man hier die filigranen Kugeln und Skulpturen her die mit ihrem Glitzern zum Jahresende die Stuben verschönerten. Interessanterweise kam für den Ort der finanzielle Durchbruch mit dem Handel solcher Produkte mit den U.S.A. - der Kaufhausbetreiber Woolworth entdeckte diese Handwerksprodukte und importierte sie im großen Stil in die Vereinigten Staaten. Das Geschäft mit Deutschland zog erst später nach, war aber dafür um so beständiger. Selbst zu Zeiten der deutschen Teilung kam der Christbaumschmuck des Westens aus Lauscha in Thüringen und brachte so der DDR Devisen ein. Es gab außerhalb dieser Gegend weder die Materialien zur Herstellung der Glasqualität, noch das Können das es zur Produktion solchen Schmucks bedurfte.

Lauscha ist auch bekannt für seine Glasaugen - ursprünglich wurden hier Puppenaugenaugen produziert. Zur Zeit des Zweiten Weltkriegs gab es immer mehr Menschen mit schweren Augenverletzungen. Ein Augenarzt versuchte die Augenmacher davon zu überzeugen, doch Halbschalen herzustellen die man als Ersatz für ein verlorenes Auge verwenden kann. Anfangs wollten sich die Augenmacher nicht von dem anscheinend lukrativen Geschäft mit den Puppenaugen abbringen lassen. Als dann doch einer von Ihnen menschliche Augen herzustellen begann war das das der medizinische Durchbruch. Augenklappen, die für die ungeschützte Augenhöhle ein hohen Infektrisiko und andere Probleme bargen wurden Geschichte. Die Augen aus Lauscha waren täuschend echt und sind auch heute noch immer ein gefragter Artikel. Sollte Euch mal jemand mit Glasauge begegnen, fragt doch mal wo sein Auge her kommt - sehr Wahrscheinlich stammt es aus Lauscha.

Was wurde noch in Lauscha hergestellt? Hier wurde die Glasmurmel erfunden - und vor allem: die Glasmurmelmaschine, die dieses Spielzeug auch für die Kinder weniger vermögender Menschen erreichbar machte. Glasperlen und Schmuck aus Glas diente als Modeschmuck und wurde weltweit exportiert.

Ich sollte nicht vergessen das ursprünglich Glas unter eher experimentellen Bedingungen in improvisierten Hüttenöfen im Wald geschmolzen wurde - das sogenannte Waldglas mit dem im 16. Jahrhundert alles seinen Anfang nahm. Aus dieser Zeit und dem Zeitraum bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts sind Gebrauchsgläser und frühe Zeugnisse des künstlerischen Schaffens zu sehen.

Das Museum ist allemal einen Besuch wert - nicht zuletzt, weil man hier auch viele Dinge aus Glas (was sonst) erstehen kann um sein heim ein bisschen voller und dekorativer zu machen. Eine ganzjährige Verkaufsausstellung mit Weihnachtsschmuck sollte nicht unerwähnt bleiben…

Das Museum featured neben lokalen Größen auch Arbeiten internationale Künstler.








Laura und Oertelsbruch

KZ-Gedenkstätte Laura

Wer oder was ist eigentlich Laura? Laura ist der Name einer KZ-Gedenkstätte bei Lehesten. Hier wurden die Treibwerke der V2-Raketen in einem bis da hin als Steinbruch genutzten Schiefervorkommen, dem Oertelsbruch getestet. Der damalige Betreiber wurde 1943 für dieses Vorhaben zum Verkauf des damals sehr lukrativen Schieferbruchs überredet. Genauer: er wurde gezwungen den Schieferbruch zu einem Spottpreis zu verkaufen. Die Firma wurde in eine Scheingesellschaft überführt die formal vorgab weiter Schiefer abzubauen. Der Ort wurde gewählt weil man davon ausging das die weit von England entfernte Lage hilft, die Triebwerk-Tests zu verbergen. Man glaubte das der bei den Tests entstehende Lärm von der ansässigen Bevölkerung als Schiefer-Abbau verstanden wird. Damals wurde die Raketenforschung- und und der Bau aus Penemünde weiter von England weg und unter die Erde verlegt. Das Ganze wurde dezentralisiert angelegt. Sterförmig um das Lager ‘Mittelbau Dora’ gab es sternförmig angeordnet zuarbeitende Betriebe.

Der Oertelsbruch hatte große Höhlen auf mehreren Etagen im Berg hinterlassen. In diesen Höhlen wurden Anlagen zur Sauerstoffanreicherung und Lagerung des Brennstoffs geschaffen. Leitungen zum Kühlen der Treibwerke förderten Wasser aus den tieferen Lagen der Höhlen - eine umfangreiche Infrastruktur wurde von den KZ-Insassen geschaffen und erhalten. Das Lager wurde in dem ehemaligen Bauernhof des Oertelsbruchs eingerichtet. Der Hof liegt an einem Hang auf einem Absatz direkt neben dem Schieferbruch. Dort war der Lagerbetrieb nicht von Außen einsehbar und eine Flucht quasi unmöglich.

Unter den zu Spitzenzeiten etwa 1000 Inhaftierten befanden sich neben den Üblichen Insassen eines solchen Lagers auch ca 150 italienische Militärangehörige die nach dem Gesinnungswechsel Mussolinis sich unerwartet in Feindesland befanden. Das Aufsichtspersonal setze sich aus Menschen zusammen die in anderen Lagern bereits den ruf besonderer Brutalität errungen hatten. Bei den Anforderungen an die Häftlinge ein Paradox: für die zu verrichtenden Arbeit wurden zum größten Teil qualifizierte Spezialisten benötigt die man nicht an jeder Ecke findet. Diese Menschen unter Bedingungen zu internieren die zweifellos zu deren Tod führen würden ist keine kluge Idee und hat sich sehr schnell auch als solche herausgestellt. So gab es dann unterschiedliche Behandlungen je nach Wichtigkeit der Inhaftierten. Die Italiener waren weder der Zwangsarbeit, noch den klimatischen Bedingungen in Thüringen gewachsen - aus ihrer Gruppe gab es keine Überlebenden.

Mit dem steigenden Kriegsdruck auf das dritte Reich wurden die Lieferwege zwischen den unterschiedlichen Produktionsstätten zunehmend schwierig. So stapelten sich in Laura die getesteten Triebwerke da man sie nicht zurück nach Dora transportieren konnte. Es zeichnete sich ab das das Lager aufgelöst und die Internierten in andere Lager transportiert werden müssen. Die die den Transport überlebten wurden in den neuen Gefängnissen von den anderen Häftlingen getrennt da es sich um Geheimnisträger handelte und man befürchtete das ihr Wissen die Kriegsmoral gefährden könnte.

Mit Kriegsende geschah das was so an den Raktenproduktionstellen passierte: Die Amerikaner kamen und nahmen mit was sie tragen konnten, dann kamen die Russen und betrieben Resteverwertung, sprich: sie testeten die von den Amerikanern zurück gelassenen Triebwerke und transportierten danach alles nach Russland. Der Umstand das der Ort ein KZ war ist darüber aus den Augen verschwunden.

Eine LPG nutzte den Bauernhof für die landwirschaftliche Produktion und alles nahm seinen Gang als gäbe es die schlimme Vergangenheit nicht. Es ist Bewohnern auf dem Bauernhof zu verdanken das viele der heutigen Exponate noch existieren. Der Umgang mit dem Lager änderte sich erst als Überlebende des Lagers zum Gedenken an den Ort kamen und die Situation kritisierten. Von da an wurde der Ort als Gedenkstätte ausgebaut.

Die Wohnanalgen des ehemaligen Oertelsbruch sind heute ungenutzt - sie beschäftigen sich seit kurz nach dem Mauerfall mit ihrem eigenen Verfall. Die Ansiedlung verstrahlt eine zauberhafte Tristesse des Verfalls, ist aber auch ein Tummelplatz für Geo-Cacher und Leute die Eingänge zu dem Stollensystem im Schieferbruch suchen - Aus den Kellergeschossen der Häuser gab es direkte Eingänge dort hin - allerdings sind die betreffenden Häuser heute eher Müllhaufen als Orte die ich betreten würde.






Das Kulturhaus

Eigentlich kannte ich es nur als Sparkasse - aber für die Leute in Lauscha ist es ‘das Kulturhaus’. Ich ging nur dort hin um Geld abzuheben - die verschiedene Menschen erzählten mir immer wieder das ich es unbedingt mal anschauen sollte.

…wer kann da am Ende noch nein sagen?

Über das Gemeindebüro kam ich an jemanden der mir die Räume aufschloss und durfte da so lange fotografieren wie ich wollte - und nebenher konnte ich dann auch endlich heraus finden was es mit dem Gebäude auf sich hat.

Um es kurz zu mache: es ist ein wahrer Schatz! Anscheinend in den Sechzigern erbaut ist es seitdem in exakt der Erscheinung geblieben die man ihm damals gab. So fotografierte ich einen Traum des Sechziger-Designs in Holz (also, fast alles…). Das Gebäude wurde in der traditionellen Bauweise vieler Häuser in Lauscha errichtet: Erdgeschoss in Stein und der Rest in Holzkonstruktion. Das Parkett ist inzwischen verständlicherweise in die Jahre gekommen so das es überall knarzt und knirscht wenn man sich in dem Saal bewegt, aber ich glaube das das bei einem voll besetzten Raum nicht mehr so ins Gewicht fällt.

Früher von der Gemeinde betrieben kümmern sich nun zwei Vereine um den Erhalt und die Bespielung der Räumlichkeiten. Zur Zeit für ein Paar Konzertveranstaltung und in der Karnevals-Session exzessiver genutzt müsste hier eigentlich ein engmaschigeres Programm stattfinden. Wahrscheinlich fehlt dafür im Moment das Personal und die Zeit. Ich mag ja diesen Sechziger-Kram, aber der Raum ist auch wirklich toll…

Kulturhaus Lauscha - 180 Grad Panorama von der Bühne aus gesehen


Zu Besuch bei einer Glasbläserin

Nach all den leicht depressiven Kapiteln dachte ich das ich mal was ganz Anderes machen könnte. Über eine Ramona, Künstlerin der Goetheschule und Glasmalerin ist der Kontakt zu einer Glasbläserin zustande gekommen die zufällig ihre Schwester ist. Wir hatten einen Termin ab gemacht an dem sie mir zeigen wollte wie sie verschiedene Objekte aus Glas herstellt.

Als ich bei Ihr ankam war Ramonas Schwester gerade auf dem Weg aus der Wohnung - wollte das Moped von der Reparatur abholen. Sie hatte unseren Termin vergessen und schon mit Arbeiten aufgehört. Aber, kein Problem, die Flamme kann man ja auch schnell wieder anwerfen.

Kurze Zeit später kniete ich vor dem Tisch an dem sie die Objekte bläst und konnte am Rausch der Geschwindigkeit teil haben. Innerhalb kürzester Zeit entstanden vor meiner Linse Objekte die man sich so in der Wehnachtsbaum hängt. Die meisten Sachen unter einer Minute. Ich kam mit den Fotos kaum hinterher. Christbaumschmuck ist zwar Heimarbeit, hat aber schon eher was von Akkordarbeit. Ich bin beeindruckt!

Gefühlte fünf Minuten später stand ich wieder auf der Straße. Ich möchte nicht wissen wie viele Sachen sie verhunzt hat bevor sie in solcher Geschwindigkeit zu arbeiten gelernt hatte.

Der Bahnhof und das Stellwerk

Lauscha hat einen Bahnhof der erkennen lässt wie wichtig die Bahnverbindung einmal für den Ort war. 1886 wurde der Ort an das Bahnnetz angeschlossen. Auf diese Art wurde der Glasindustrie das Tor zur Welt geöffnet. Bis da hin mussten die Erzeugnisse der Glasherstellung zu Fuß etwa 25 Kilometer nach Sonneberg (dem nächsten Bahnhof) transportiert werden.

Ca. 1914 wurde die Strecke von hier aus zu weiteren Orten erweitert und ein neues Bahnhofsgebäude erstellt das für einen solchen Ort einen doch sehr repräsentativen Charakter hat. Neben Schalter- und Wartehalle gab es hier auch eine große Gaststätte mit zwei Räumen.

Bis zum Mauerfall wurde auf der Strecke mit 27 Beschäftigten umfangreicher Güter- und Personenverkehr abgewickelt. Der Bahnhof hatte ein eigenes Stellwerk das heute als Baudenkmal von Eisenbahn-Enthusiasten erhalten und zu Veranstaltungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Es befindet sich quasi in dem Zustand in dem es 1999 zur Stillegung der Strecke befand.

Die Deutsche Bahn hatte beschlossen das die Tragfähigkeit der Brücken auf der Strecke nicht mehr für die Befahrung mit Zügen geeignet sind. Damit war die Verbindung zwischen Steinach und Sonneberg gekappt - diese beiden Orte sind die Bahnknotenpunkte um weiter durch die Welt zu kommen. Es ist der Hartnäckigkeit von Interessengruppen aus der Gegend zu verdanken das es heute wieder eine Bahnverbindung, immerhin zwischen Steinach und Neuhaus über Lauscha gibt. Es fahren Schienenbusse in stündlicher Taktung.

Das Bahnhofsgebäude ist vor Jahren an einen Privatmann verkauft worden der Schwierigkeiten hat, es zu erhalten bzw einer neuen Nutzung zuzuführen. Es arbeitet dort heute niemand mehr. Ein automatisches System kümmert um die Steuerung des Fahrbetriebs. Ob die Bausicherung am Dach des Bahnhofs das Gebäude auch zukünftig vor eindringender Feuchtigkeit und Fäulnis-Schäden bewahren kann ist angesichts der abrutschenden Dachpappe unwahrscheinlich. Drinnen erinnert eher wenig an einen Bahnhof. Die meisten Einrichtungsgegenstände sind entfernt worden.




Die Kugelfabrik

Seit über hundert Jahren werden in Lauscha Christbaumkugeln hergestellt. Nach wie vor werden in Heimarbeit Kugeln geblasen, verspiegelt und bemalt. Der Standard dieser Arbeiten ist hoch und der so hergestellte Schmuck hat so seinen Preis.

Es gab auch maschinelle Produktionen für Schmuck. Die Kugeln waren etwas dickwandiger und schwerer, aber dafür billiger - eben Produkte für den Massenmarkt. Die Konkurrenz auf dem Massenmarkt ist groß, was die Hersteller zu Veränderungen trieb.

Ich habe schon lange keinen Ort mehr gesehen an dem von jetzt auf gleich alles stehen und liegen gelassen wurde, so wie bei der Kugelfabrik in einem Wohngebiet. Drum herum adrette Häuschen, schön sauber herausgeputzt und direkt daneben ein Haus bei dem das Dach langsam einstürzt und die Zeit stehen geblieben ist.

Überall Kartons mit Kugel-Rohlingen, fertigen Kugeln und Baumspitzen, es riecht nach Chemikalien und Farbe - so als wenn gleich alle Mitarbeite aus der Pause zurück kämen und weiter machen würden. Wenn nicht das Dach so langsam einstürzen würde während die Feuchtigkeit den Wänden den Rest gibt. Komisch, das niemand die Materialien geborgen hat - allein das noch unverarbeitete Glas hat ziemlichen Wert. So wie’s aussieht wird das Zeug aber einfach weiter da rum liegen bis der Bau komplett in sich zusammen gesackt ist.

Draußen scheint die Sonne und die Welt tut als wenn es diesen Ort gar nicht gäbe - eben ein Lost Place…

das 'Schiesshaus'

Zu Zeiten der DDR war Lauscha ein gut besuchter Ferienort. Neben anderen Firmen unterhielt der Fahrzeughersteller Sachsenring dort ein großes Ferienlager. Zur Urlaubszeit hat sich die Bevölkerung der Stadt gut und gern verdoppelt.

Eine der Ferieneinrichtungen war auch das Erholungsheim der VEB Nähmaschinenwerke Altenburg. Ein hotelähnlicher Betrieb am Rand vom Lauscha, der Erscheinung nach in den späten Achtizigern des letzten Jahrhunderts gebaut. Die Einheimischen nennen es ‘das Schiesshaus’

Das Erholungsheim Altin in Lauscha

Nach dem Mauerfall wurde der Nähmaschinenhersteller reprivatisiert und in ALTIN (Altenburger Textilindustrienähmaschinen) umbenannt. Unter dem Namen Altin Erholungsheim lief der Betrieb noch eine Weile weiter, dann war aber weder der Nähmaschinenhersteller, noch der Hotelbetrieb weiter zu halten.

Die Urlauberzahlen gingen kontinuierlich zurück und potentiellen Interessenten an dem Gebäude verloren schnell ihr Interesse. Seit den frühen nuller Jahren steht das Gebäude ungenutzt. und bröselt leise vor sich hin.

Wie alle Häuser in Lauscha versucht es unbemerkt den Hang herunter zu rutschen während aus dem Berg das Wasser von hinten ins Fundament drückt.

Drinnen gibt es gepflegten Vandalismus - aber auch gelebte Entkernung. Während verlassene Gebäude in Westdeutschland meistens intensiv durchvandalisiert werden und bestenfalls die Metalldiebe raus rupfen was geht sind in Ostdeutschland schon eher die Baustoff-Liebhaber am Werk: Heizkörper ordentlich abgebaut, Fensterrahmen ausgebaut, Waschbecken und Kloschüsseln ausgebaut. Ich habe teilweise Gebäude besucht die aussahen wie ein Rohbau. Im Ferienheim ist es eine Mischung von Beidem: Die Baustoff-Liebhaber sind immer noch am Werk, aber auch der Vandalismus hat getobt - und das gründlich! Das Dach ist Dicht, aber die Feuchtigkeit kommt aus dem Berg und ist überall in den unteren Etagen deutlich wahrzunehmen. Dazu kommt noch das unter dem Anbau in dem sich früher einen Gastronomie befand ein Löschwasser-Reservoir angelegt ist. Das Gebäude liegt so hoch im Tal das der Wasserdruck nicht zum Löschen reicht. Aus dem ‘Pool’ zieht die Feuchtigkeit gründlich in die Wände so das bereits Moos an der Wand wächst. Im Wasser liegt allerhand hinein geworfener Krempel - ein paar Amphibien haben sich hier ein ruhigen Plätzchen geschaffen.

Man kann noch erahnen wie modern und groß das Gebäude seinerzeit angelegt wurde - aber ein Großteil ist halt verschwunden. In einem Kaminzimmer fand ich eine Wandplatte mit einer Grafik auf der Menschen beim Zusammenbauen von Nähmaschinen zu sehen sind. In dem Raum muss es solche Bildtafeln früher umlaufend gegeben haben.

Eine Ausstellung und ein Workshop

Nach meiner Ankunft in Lauscha habe ich die Ausstellungswände mit Bildern bestückt. Mit gebracht hatte ich die Projektionsarbeiten, die Lesbos-Serie und die ‘Kleinen Müllers für alle Gelegenheiten’ - auch als Bild des Tages bei Facebook und Instagram zu sehen. Sagen wir mal so: die Wandfläche ist gut ausgenutzt ;)

Vergangenen Mittwoch war die offizielle Vernissage. Schön mit Plakat, frugalem Buffet und netten Gästen. Es wurde viel gerätselt welche der kleinen Motive in Lauscha sind und welche nicht. Bis zum Mittwoch, den 12.6. werden die Sachen hängen bleiben - dann werden die Arbeiten gehängt die während meines Aufenthalts in Lauscha entstanden sind.

Mittwoch den 12.6. werde ich um 19:00 einen Bildvortrag über meinen Aufenthalt auf Lesbos halten. Alle sind herzlich eingeladen.

Gestern war der Workshop ‘sei ein Tier’ bei dem wir mit Projektion experimentierten. etwa 15 Personen haben teil genommen - in ziemlich lockerer Atmosphäre. Hier ist eine kleine Auswahl der entstandenen Bilder


Wie man eine Sache vor den Hund bringt

Die Leute hier erzählen mir von Plätzen die ich unbedingt hier im Ort besuchen sollte - einer davon ist das ehemalige Glaswerk an der Obermühle.

Hier wurde bis zur Wende Glasprodukte für industrielle Anwendungen produziert - Glasfasern für Filter und Isolationen, mikro-Glaskügelchen für Reflektionsflächen, Bleiglas und Anderes.

Der Betrieb wurde an einen Amerikanischen Investor verkauft, der sich den knapp fünfstelligen Kaufpreis über den Verkauf der beweglichen Produktionsmittel zurück holte. Der Betrieb stand ab diesem Zeitpunkt still.

Eines verschafften sich Arbeiter mit gefälschten Grundbuchauszügen Zugang zu dem Gelände und entfernten das Metall aus dem Gebäude. Sie machten auch vor tragenden Komponenten keinen Halt. Die Schwerkraft erledigte den Rest.

So bröckelt das Gelände leise vor sich hin, durch Giftstoffe belastet und vom Umland als Schuttabladeplatz genutzt.


Zu Gast in Lauscha

Gartendekoration in Lauscha

Ich habe mich für einen Gastaufenthalt in der Goetheschule in Lauscha beworben - und bin durch das Auswahlverfahren gekommen. Mein Aufenthalt ist vom 17.5.bis 15.06. und Gestern bin ich mit Almuts Hilfe angereist.

Warum bin ich hier? Sicher nicht nur weil ich mich um diesen Platz beworben habe. Es ist meine Neigung, verlassene Orte zu fotografieren - solche Plätze soll es hier in der Gegend reichlich geben. Lauscha und die umliegenden Ortschaften waren zu Zeiten der DDR ein Schwerpunkt der Glasindustrie - sowohl für technische Anwendungen als auch für kunsthandwerkliche Arbeiten. Mit der Wende und den daraus resultierenden Effekten auf die ostdeutsche Industrie sollte sich dabei vieles ändern.

Der Bevölkerung des Ortes hat sich seit dem Mauerfall von rund 10.000 auf 3000 reduziert. Das lässt sich nicht verbergen. Während im Ortskern optische Verschönerung betrieben wird zeigt sich mit zunehmender Entfernung von dort mehr oder minder offensichtliche Verwahrlosung. Die Häuser - traditionell ab dem Erdgeschoss in Holz konstruiert - wurden den Bedürfnissen entsprechend immer wieder aufgestockt und erweitert. Das führte dazu das bei dem bestehenden Platzmangel in dem engen Tal die Häuser dicht an dicht stehen und teilweise auch ineinander gebaut wurden.

Beim aktuellen Leerstand bzw. bei der Tatsache das in ehemals von Grossfamilien bewohnten Häusern nur noch die Großeltern wohnen können notwendige Reparaturen nicht mehr durchgeführt werden. Im Stadtbild fallen immer wieder baufällige Häuser auf die sich mehr oder weniger deutlich auf den Weg ins Tal machen wollen. Es gibt so gut wie keine ebenen Flächen in der Stadt - so wenig eben das hier Autos auch gern mal mit vorgelegtem Bremsklotz geparkt werden. Manche Wohnlagen sind so steil das sie im Winter nur noch zu Fuss erreichbar sind.

Der Ort hält immer noch große Stücke auf die Galsbläserkunst - zurecht, wie ein besucht im Glaskunst-Museum nahe legt. Es gibt auch eine Glasbläserschule und Betriebe die industriellen Bedarf decken. Das steht in einem unwirklichen Kontrast zu der sichtbaren Stagnation.

Früher war Lauscha auch Luftkurort und Trainingszentrum für die Skisprung-Olympioniken der DDR. Die Sprungschanzen sind jedenfalls noch da. Wer da heute noch trainiert muss ich noch heraus finden.

16.8. Kilometer machen bis nach Köln

Der erste Kahn mit richtig lautem Motor tuckerte um kurz nach sechs vor meinem Zelt vorbei - warum nicht auch gleich aufstehen? Ich hatte ja eine Menge vor…
Käsebrote zum Frühstück (so ne Überraschung) und die Klamotten zusammen gepackt. Ich war tatsächlich vor acht Uhr auf der Strecke. Auf der STraße war noch kaum was los aber auf dem Fluss war schon ordentlich Betrieb. Die Wolken hingen noch im Rheintal aber die Sonne beginnt schon, einen schönen Tag anzukündigen.

Das Rad läuft konstant 20 Stundenkilometer. Gegen 9:30 erreiche ich Koblenz. Von da aus nimmt der Weg eine Abkürzung über Land. Hier wird gerade ein Atommeiler abgerissen.
Ich kam an der Brücke von Remagen vorbei, beziehungsweise an ihren Resten, denn auch sie wurde, wie die Hindenburg-Brücke zu Kriegsende gesprengt. Heue ist in einem der alten Brückenköpfe ein Friedensmuseum.


Viele Brücken und Verbindungen in Ost-West-Richtung sind nach dem Krieg zerstört worden und wurden nach dem Krieg nicht wieder aufgebaut. Das hat dazu geführt das heute noch in Deutschland die waagrechten Bahnstrecken schwach ausgeprägt sind. Direkt nach dem Krieg waren keine Mittel für einen Schellen Aufbau der gesprengten Verbindungen vorhanden und mit der Deutschen Teilung brauchte man die Strecken mehrheitlich nicht mehr. Sie wurden zurück gebaut und durch eigenartige Busverbindungen ersetzt die bis heute noch Freude und Heiterkeit bei denen hervor rufen die sie benutzen müssen.
Mich führte mein Weg heute bis kurz vor Köln auf den Campingplatz Hotel Berger, quasi der letzte Campingplatz vor der rheinischen Hauptzivilisation und in seiner Anlage ziemlich komfortabel - aber für Reisende mit Zelt und Rad ungeschlagen günstig.
150 Kilometer habe ich heute geschafft - wegen oder vielleicht doch besser trotz des Rhein-Radwanderwegs. Ich persönlich würde sagen das die Anlage dieses Weges von viel gutem Willen aber von wenig Interesse an der Praxistauglichkeit angelegt wurde. Es ist eine Mischung aus geteerte, gepflasterten und geschotterten Wegen unterschiedlichster Qualität. Auf dem Weg sind locker Barrieren verteilt die ihn für Radfahrer mit Gepäck, Anhänger oder eben Sonderräder wie meines nahezu unpassierbar machen. Speziell bei der Bevölkerung in den Ortschaften gibt es über Verwendung der Uferpromenaden keinen Konsens. Neben Schildern, die die Radfahrer zum Schieben im Ortsbereich auffordern und  grundloses Angebelle von Radfahrern durch Passanten sind auch hier Barrieren angelegt die den Weg für Radfahrer unattraktiv machen sollen. Besondere Spezialität: Schilder, die Radfahrern einen Weg zur Umfahrung anbieten und sie an den Rand des Universums schicken. Ich würde sagen das hier deutlicher Klärungsbedarf besteht weil ansonsten die Radwege entlang des Rheins weder ein zusammenhängender Radweg, noch von der Bevölkerung gewünscht ist.
Niemand kann ernsthaft glauben das Radreisende in den Ortschaften ein paar Kilometer ihr Rad schieben - schließlich will man auch irgendwann mal ankommen.

Ich hatte für die letzte Etappe auf ähnlich sonniges Wetter gehofft wie heute, aber der Wetterbericht prophezeite ein ergiebiges Regengebiet das von Köln über Wuppertal nach Dortmund ziehen sollte. Und so sah das dann auch am Freitag Morgen aus - schwarze Wolken so weit das Auge reicht und Sturmböen. Ich hatte die Wahl zwischen ‚mit nassen Sachen in Dortmund ankommen‘ und ‚trocken ankommen und ein paar wichtige Dinge geregelt bekommen‘

seh ich Köln im Regen...


Ich investierte 25 Euro in einen Fahrkarte und ließ das man mit dem fetten Sportlichen Einsatz im strömenden Regen und fuhr lieber durch eben diesen regen mit dem Zug.
Bei der nächsten größeren Radreise werde ich bei festen Terminen davor immer einen Puffertag einplanen damit sich das Reiseziel ohne Streß und Bahneinsätze erreichen lässt. Es hat auch was Feines wenn man bei Regen einfach mal nen Tag liegen bleiben kann oder sich den Luxus eines halben Reisetags gönnen kann.
Na, ja, diese fahrt hat sich auch recht kurzfristig ergeben und konnte an vielen Stellen nicht so sorgfältig durchdacht werden…

15.8. - Warum ist es am Rhein so laut?

Drei Tage habe ich jetzt um nach Hause zu kommen - 310 Kilometer Strecke warten auf mich. Das sollte in drei Tagen zu schaffen sein.
Morgens noch ein entspanntes Frühstück unter Freunden - so entspannt das ich mich so gegen 12 erst auf’s Rad setzte und aufbrach. Heute fahre ich bis 19:00 und gehe schön auf einen Campingplatz.
Taunus, das heisst: Steigungen. Aber da ich so irre gut im Training bin habe ich sie natürlich mit Leichtigkeit überwunden und schon bald kamen die ersten Zeichen das es Richtung Heimat geht - immer schön Richtung Köln halten. Heute gibt es Wege die parallel zur Autobahn verlaufen…

offensichtlich auf dem Weg nach Hause...


Nach knapp 30 Kilometern traf ich bei Mainz auf den Rhein - für die nächsten rund 200 Kilometer würde ich entlang diese Flusses fahren. Eine Mischung aus Wirtschaftswegen, Uferpromenaden und neu angelegten Radwegen bildet eine Strecke die den gesamten Rhein entlang führt. Die meiste Zeit völlig ohne Steigungen sehr angenehm zu fahren, was man auch an den zahlreichen anderen Radfahrern merkt. Manchmal gibt es ziemliches Gedrängel weil das Wetter natürlich auch die Spaziergänger raus lockt.

der zerstörte Brückenkopf der Hindenburgh-Brücke


Die Ruine der Hindenburg-Brücke bei Rüdesheim war ein Foto wert. Sie wurde am Ende des zweiten Weltkriegs von den Deutschen gesprengt um das Vorrücken der Alliierten zu behindern. Dies Brücke wurde nie wieder aufgebaut weil nach dem Krieg neue Strecken entstanden die sie überflüssig machen.
Bei Rüdesheim bin ich mit der Fähre ‚Mary Roos‘ auf die andere Seite übergesetzt da kann man mal sehen was aus Schlagersängerinnen im Alter noch so werden kann…

eine Schlagersängerin auf Abwegen :-)


Mein Weg endete für mich in Oberwesel auf dem Campingplatz ‚Schönburg-Blick‘. Wie sich herausstellen sollte, eine echt gute Wahl: Man bekommt einen Duschenschlüssel und kann dort so Duschen wie man möchte - keine Marken nötig. Es gibt dort auch Waschmaschine und Trockner. Neben der Rezeption ist ein Bier- oder Weingarten mit Restauration zu netten Preisen und der Platz ist direkt am Rheinufer. Es gibt, wie auf eigentlich allen Campingpätzen eine Ecke für die Zelturlauber und dort hatten sich auch schon einige Leute aufgebaut. Dort war ein Pavillion mit Seitenwänden als Windschutz und Bierzeltgarnituren aufgebaut in die man sogar eine Kabeltrommel gezogen hatte - es gab Strom und nette, wettergeschützte Sitzgelegenheiten. Das ist echt sehr zuvorkommend.
In den Zelten waren mehrheitlich nette, kontaktfreudige Leute - ich verbrachte einen unverhofft netten Abend in lGesellschaft zweier Frauen die auf dem Jakobsweg pilgerten und zweier Jungs die mit einem gebrauchte gekauften Tandem auf dem Weg zum Bodensee waren.
Nicht zu vergessen der klare Himmel mit fast unverbauter Sicht auf die Milchstraße - das hätte ich am Rhein jetzt nicht erwartet.

freie Sicht auf die Milchstraße - etwas verwackelt...


Was ich nicht unerwähnt lassen sollte: das Rheintal ist eine Verkehrsader - und was für Eine! Auf beiden Seiten des Flusses verlaufen Straßen und Bahnstrecken die natürlich, wie der Fluss selbst, auch die ganze Nacht recht end getaktet befahren werden. Nut den Grillen zu lauschen und in den Himmel zu schauen wäre irgendwie schöner gewesen. Ich empfehle für Übernachtungen im Rheintal unbedingt Ohrenstöpsel im Gepäck.

14.08. der Hundsrück und ich

interessante Ortsnamen

Es hat aufgehört zu regnen aber noch immer ist es geschlossen bewölkt Ich packe meine Sachen und das nasse Zelt ein und mache mich weiter auf den Weg. Bei irgendjemandem in dieser Ggend scheint der Gedanke sich fest gesetzt zu haben das grob geschotterte Waldwege der Untergund an sich für Radreisende sind. Die Reifen lassen sich nur schwer in der Spur halten da der Schotter sie immer wieder zur Zeit rutschen lässt. Dann gibt’s endlich wieder Teer unter die Reifen. Ich lerne die Orte Kinderbeuren und Bengel kennen - ob auch Pubertier und Adoleszenz auf meiner Strecke liegen?
Bei Alf-Fabrik (den Ort gibts wirklich) springt mir wieder Googles Liebe zu matschigen Waldwegen ins Auge - die Navigation versucht hier die Strecke abzukürzen den die reguläre Straße um den Berg herum nimmt. Da fahre ich doch lieber Straße - und komme schneller voran. Kurz an der Mosel entlang geht es bei Merl wieder eine Steigung hoch Richtung Rhein. Jetzt ist aber erst mal für eine gute Stunde Wadentraining am Hang - auch an dieser Straße versucht mich Google in den dunklen Wald zu locken. Da es da aber eine geschotterte Steigung hoch gehen soll auf der meine Reifen nicht greifen können bleibe ich auf der Straße. Sie führt mich nach vier Kilometern auf meine Strecke zurück - einer Strecke die dort aus einem verschlammten Waldweg kommt - das hätte ich schon mal richtig gemacht. Auf der windigen Höhe geht es weiter die Straße entlang. manchmal gibt es Radwege, meistens nicht. Es ist sonnig, aber der Wind bläst hier kalt. Ab Kastellaun gibt es einen Radweg auf einer alten Bahntrasse - keine spannenden Kurven, ausreichend breit und eine sanfte Steigung. Hier erwacht der schwer beladene Drahtesel zum leben und ich beginne, Kilometer zu machen.
Inzwischen ist mir aufgefallen das ich mein Handy anscheinend in Luxemburg habe liegen lassen - ich bewege mich im erholsamen Blackout - kann aber auch keinerlei Kontakt zu den Menschen aufnehmen die ich heute Abend treffen will. Daran wird sich hier auch erst mal nichts ändern…
Die Gemeinde Oberwesel hat sich was Nettes einfallen lassen - entlang der Radstrecke stehen Schilde die darauf aufmerksam machen das der Radweg so geschottert ist das man beim bremsen Probleme haben könnte. Wer sich bis hier hin noch nicht auf den Bart gelegt hat bracuht diese Schilder jetzt auch nicht mehr. Mir kommt eine Frau entgegen die auf ihrem Rad sitzt als würde sie über rohe Eier fahren - und ich glaub, bei mir sieht’s nicht besser aus. Eine lang gezogene Gefällestrecke gibt mir Gelegenheit alle Bremsen meines Rades auszuprobieren. Auf keinen Fall die Kontrolle über den Bock verlieren!
Plötzlich bin ich in Oberwesel. Es ist drei Uhr Nachmittags und ich überlege ob ich von hier aus bis in den Taunus weiter radeln soll oder ob ich aus Zeitgründen mit der Bahn fahren soll. In der Tourismusinformation gibt es freies Internet - Fahrpläne gecheckt und Kontakt zur Welt aufgenommen.
Patricia hat in Luxemburg neben dem Bett ein Ladekabel für iPhone gefunden aber der kleine Racker selbst wurde nicht gesichtet - sie will noch mal genauer schauen.
Es gibt einen komfortable Verbindung über Frankfurt nach Kelkheim - in nur zwei Stunden. Das ist bei zu erwartenden vier bis fünf Stunden Fahrzeit mit dem Rad eine attraktive Verbindung wenn man sich mal mit Menschen etwas länger unterhalten will.
Schnell die Menschheit informiert wann ich ankommen würde und am Bahnhof eine Fahrkarte gekauft. Es hätte alles so schön sein können, wenn nicht die Abteilung ‚Kundenverwirrung‘ kurz vor der Einfahrt des Zuges verkündete das er heute ausnahmsweise drei Gleise weiter abfahren würde. Zwischen mir und diesem Gleis liegen zwei Treppen und eine Unterführung - alles schön ohne Aufzüge oder Rolltreppen - das Barrierefreie ist hier noch nicht angekommen. Es reichte leider nur zum Taschen und Fahrrad runter tragen - da fuhr der Zug auch schon ab - schade eigentlich. Es gibt ja eine Folgeverbindung mit einmal mehr Umsteigen in Ingelheim. Die hatte aber herzhafte 30 Minuten Verspätung, was endgültig alle Verbindungen kaputt mache. Am Ende brauchte ich für den Weg nach Kelkheim fast so lange wie ich auch mit dem Rad gefahren währe…

 

13.08, Auf in den Taunus

13.08.
Das Geräusch von Regen auf dem Dach kann beruhigend sein - es kann aber auch unangenehme Ideen wach rufen - zum Beispiel die, das ich gleich durch eben diesen regen mit dem Rad meinen Weg fortsetzen werde.
Der Montag Morgen ist in Luxemburg bewölkt und nass. Die Wettervorhersage verspricht das die Regen zum frühen Mittag hin abklingen werden, auf meinem Weg werde ich heute aber immer wieder mit Nass von oben rechnen müssen.
Morgen Abend will ich bei einer Freundin im Taunus angekommen sein, also bleibt keine große Wahl.
Die Sachen gepackt und ans Rad geschnallt - heut kommt mir alles irgendwie schwerer vor als sonst.

Wolken über Luxemburg


Am Frühstückstisch finde ich noch ein paar Leute die von der Nacht übrig geblieben sind - Mailadressen erfragt um die Bilder des Workshops an die Menschen weiter zu leiten an die sich die Teilnehmer wenden werden um die Bilder zu bekommen.
Es gab noch ein paar andere Lebensformen von denen ich mich verabschieden konnte aber der Großteil war nach einer langen Nacht erst jetzt in die Betten gegangen.
Zu beginn der Fahrt ging es erst mal den Berg hoch - war ja klar! Aber ab da hin ging es nur bergab und bis zur Luxemburgischen Grenze schön flach am der Süre entlang. Hier, wie auch in Belgien gibt es viele Radwege und als Radfahrer hat man Vorfahrt. Es ist für jemanden der deutsche Verhältnisse gewohnt ist schon sehr irritierend wenn an Einmündungen und in ähnlichen Situationen ständig Autos auf einen warten. Man gewöhnt sich aber schnell daran - wahrscheinlich kommt an der deutschen Grenze das böse Erwachen auf mich zu.

Die alte Grenzstation bei Ralingen


Bei Ralingen überquerte ich den Fluss und die Grenze - und ab da ging’s dann auch bergauf. zwischen mir und meinem Ziel hat irgendjemand die Eifel hin geworfen, und die will jetzt überquert werden.
Mit mir am Berg will nicht so recht der Rausch der Geschwindigkeit aufkommen. Knapp eineinhalb Stunden dauert der Aufstieg auf 350 Meter. Immer schön am Rand einer Landstraße der nach ein paar Hundert Metern der Bürgersteig verloren ging. Genau so hatte ich mir meine Weg vorsgestellt. Zum Glück ist die Silhouette meines Gefährts so gewaltig das man es einfach wahr nehmen muss. Auf der Höhe angekommen bewegte ich mich auf einem mehr oder minder windigen Hochplateau mit lustigen Hügeln zu meiner Unterhaltung.

ein Orca im Wind

Am Asberg hatte sich Google bei der Routenführung ein Schmankerl überlegt - es gab keinen Weg mehr. Der hatte sich irgendwann in ein Gemüsefeld mit Hochsitz verwandelt - alles gut umzäunt, damit auch ja keine Porreestange ausreissen kann.
Ein Blick in die Karten zeigte mir das es ein paar hundert Meter weiter eine parallele Abzweigung gibt die auf meinen Weg führt - guten Mutes hin geradelt und keinen Weg gefunden. Nur einen Kante zwischen zwei Feldern wo anscheinend vor Kurzem ein Fahrzeug her gerollt ist. Sollte das mein Weg sein???
Mangels attraktiver Ausweich-Alternativen schob ich mit dem Rad zwischen den Feldern Richtung Wald. Tatsächlich mündete die Strecke auf einen Waldweg - allerdings auf einen der bestimmt schon sei Jahren nicht mehr genutzt wurde. Nur ein schmaler Trampelpfad war zwischen Laub und Aststücken zu erkennen. Ich lasse das Rad an einen Baum gelehnt stehen und laufe die Spur mit dem Navi ab. Der Pfad mündet auf eine Kreuzung die hier auch tatsächlich sein soll. Von hier aus führt ein nicht wesentlich häufiger genutzter Weg in dem Verlauf weiter wie ich ihn auch auf meiner Route nehmen soll. Ich wuchte den Orca über die Äste den Trampelpfad entlang. Ab der Kreuzung geht es bergab. Das Geröll auf dem Weg ist so grob das das Rad sich da nicht fahren lässt - aber ich kann mich rollen lassen.

Googels Liebe zu Trampelpfaden...

Von Verzweigung zu Verzweigung werden die Wege besser befahrbar bis ich nach vier Kilometern auf einen regulären Wirtschaftsweg gerate der in einer langen Gefällestrecke (natürlich mit Schlamm und reichlich lockerem Schotter) aus dem Wald heraus führt. Mit Ehrang erreiche ich einen Außenposten der Eifel-Zivilisation mit Edeka - endlich Nahrung bunkern.
Da ich heute später los gekommen bin als ich vor hatte werde ich fahren so lange das Tageslicht mit spielt. Am Himmel ziehen dunkle Wolken auf - es beginnt zu regnen. Mal mehr, mal weniger - es sollte ja so kommen.

Regenbogen - Entschädigung für doofes Wetter


In der Nähe von Neuerburg wurde es dämmrig - An einem Waldrand fand ich ein flaches Stück fürs Zelt, Taschen rein und mich dazu. Heute gibt es Käsebrote. Der große Klassiker: passt gut in die Tupperdose und hat sich in den vergangenen Tagen bei allen Temperaturen bewährt. Während ich Esse grunzt jemand draußen vor dem Eingang - ich bin hier nicht allein. Während ich mir trockene Wäsche anziehe und in meinen Schlafsack krieche schnüffelt jemand an meinem Zelt. Mal sehen wer mich noch heute Nacht besucht…

11. und 12. August - Rocking Beaufort

Es ist also das Wochenende 11. und 12. August, ich bin in Beaufort und habe gerade deutliche Probleme, mich von meiner Matratze zu lösen. So’n richtiges Bett ist halt doch ne gefährliche Sache.
Aber um eins ruft der Workshop und ich bin richtig gespannt  - oder sollte ich sagen: verängstigt? - was sich bis da hin an Materialien zusammengefunden hat und ob das überhaupt zusammen funktioniert.
Nach dem Frühstück in lustiger Runde brachen wir auf. Einer der Mitarbeiter des ‚Flying Dutchman‘ machte mir auf - und es war gut das er da war denn die gespendeten Kabel wollten nicht zum Rechner passen und auch der Beamer wollte, obwohl eine USB-Buchse vorhanden war, nicht den USB-Stick mit den Bildern sehen. Es handelte sich tatsächlich um eine Anschlussdose zur ausschließlichen Stromversorgung von was auch immer…
Dank der unendlichen Geduld und Hilfsbereitschaft des Diskotheken-Menschen endete ich mit einem Beamer der an den Computer der Disko angeschlossen war und so um drei Ecken , Kabeln und allerlei anderen Sachen das Werkzeug zur Improvisation gaben - ohne das alles hätte ich’s nicht gewuppt bekommen.
Ein bisschen schade: die Besucher des Festivals steuern die Burg von Beaufort an. Mein Workshop ist aber in dieser Disco, etwa einen Kilometer entfernt. Dort sind zwar um die Ecke in der alten Schmiede und der Distille des Ortes noch Kunst und Künstler versteckt, dort müssen aber die Leute erst mal hin - so richtig aus Versehen kommt man bei uns wohl nicht vorbei.
So hatte ich am ersten Nachmittag nur ein Pärchen dem ich die Technik der Projektionsbilder in aller Ruhe erklären konnte. Sie hatten eine eigene Kamera mit und wollten nicht das die Bilder auf meiner Seite oder bei Facebook veröffentlicht werden - so gibt es nur Fotos vom Sonntag Nachmittag, wo sich bei mir erheblich mehr Leute tummelten. Schade, das sie sich nicht über beide Tage verteilten, aber das ist dann eben so.Ich bin mir sicher das es trotzdem allen Spaß gemacht hat und sie mit den Ergebnissen zufrieden sind.


Wer von Euch mal am Wochenende in Beaufort ist, sollte unbedingt einen Besuch im ‚Flying Dutchman‘ einplanen. Das ist eine Disko, die seit den frühen achtziger Jahren weder die Dekoration, noch die Gäste, noch die Freundlichkeit verändert hat.
Außerhalb meines Wochenendes habe ich mir natürlich die Beiträge der anderen Künstler angesehen. Schade, das ich nicht alles sehen konnte. Es waren einige, mir als sehr hochkarätig bekannte Personen dabei - zum Beispiel Désiré Nosbusch in einem Theaterstück mit Musikbegleitung. Und wen ich noch nicht kannte, der entpuppte sich als nicht minder sehenswert.
Ich bin ein bisschen traurig das ich nicht noch länger bleiben konnte, aber mein Timing sitzt mir dieses mal ziemlich im Nacken so das ich Montag bereits die Rückreise antreten muss.

 

 

10. August - auf nach Eppeldorf

So ne Jugendherberge hat schon was Feines - Morgens noch nett ans Frühstücksbuffet und dann die Klamotten gepackt, Fahrrad aus dem Abstellraum geholt und auf den Weg gemacht.
Ziemlich auffällig: es gibt hier Steigungen - Luxemburg scheint ein eher gebirgiges Land zu sein. Es gibt immer wieder schmale Talpassagen in denen die Bahn das dominierende Verkehrsmittel ist.

die Bahn - das dominante Verkehrsmittel Luxemburgs...

Geradezu im Minutentakt fahren Güter- und Personenzüge an mir vorbei während ich den Weg nach Eppeldorf mache. Dort habe ich für mein Wochenende auf dem Festival eine Schlaf- und Anlaufstelle.
Es sollte sich herausstellen das die Idee, mit dem Zug bis Luxemburg Stadt zu fahren etwas ungeschickt war, weil ich gut meine Halbe Strecke jetzt an den Bahnhöfen vorbei komme durch die ich Gestern gefahren bin. Den Weg hätte ich mir auch sparen können. Immerhin ist die Landschaft schön.


Am frühen Nachmittag trudelte ich mit meinem Rad auf dem Hof von Patricia Huperti-Lippert ein, einer der Organisatoren des Festival de Beaufort. Ich hatte kaum mein Rad abgeladen, da ging auch für mich das Organisieren los. Das Paket mit dem für den Workshop benötigten Material war nicht angekommen. Ich hatte es am tag vor meiner Abreise nach Amsterdam aufgegeben. Zwei Wochen sind anscheinend zu kurz um etwas nach Luxemburg zu bringen. Trackingcode gecheckt - das Paket ist bisher nur im Paketshop registriert worden - mehr nicht! Ein Anruf bei DHL ergab die wenig Freude stiftende Auskunft das es dann wohl verschollen sei - ich möge eine Reklamation schreiben und dann werde man schauen. Wenig Hilfreich wenn man mit dem Inhalt eines Pakets einen Workshop bestreiten muss.
Jetzt ist Improvisieren angesagt. irgendwie müssen Materialien zusammen geklaubt werden mit denen sich die Projektionen bewerkstelligen lassen. Ich kann mich nur über die Welle an Hilfsbereitschaft und Ideenreichtum freuen - es sieht so aus als wenn ich mit viel Frickelei den Workshop geregelt bekomme.
Aber erst mal mache ich einen Ausflug zum Festival, besuche meine Arbeit in der alten Brennerei in Beaufort und werfe einen Blick durch das Fenster des ‚Flying Dutchman‘, der Diskothek in der Morgen der Workshop stattfinden soll.


Dann ging’s erst mal auf’s Festival, rum gucken...

 

 

Dienstag, 7. August -Donnerstag, 9. August - der Weg nach Lüttich

Dienstag, 7. August -Donnerstag, 9. August

Ich liege hinter meiner Strecke zurück und muss mich so langsam mal sputen um rechtzeitig zum Wochenende in Luxemburg zu sein. Also: mindestens 120 bis 130 Kilometer pro Tag.
Ich entschied mich zum Tuning mit Zucker und kaufte mir im Ort im Supermarkt nicht nur Proviant sondern auch ne Flasche Orangenlimo - die wurde im Verhältnis 1:1 mit dem Wasser in der Trinkflasche gemischt damit sich mein Körper weniger damit beschäftigen muss, in den eigenen Vorräten nach Energie zu suchen.
Doof halt nur, das diese Limo nicht nur ohne Kohlensäure (toll!) war sondern anscheinend auch ohne Zucker! Der erste Schluck aus dem Trinkschlauch spülte mir den deutlicher Geschmack von Aspartam in den Mund - damit werden meine Beinchen bestimmt nicht schneller :-/
Zum Glück gab’s noch das in der Hitze der letzten Tage zu einem Klotz verbackene englische Konfekt - da habe ich mir von Zeit zu Zeit was raus gepult um auf diese Art Zucker zuzuführen. Das Konzept hat dann auch funktioniert, wenn auch Orange und Lakritz nicht wirklich gut zusammen passen will…
Mein erstes Etappenziel, Rotterdam, erreichte ich am frühen Mittag.  Im Vorfeld gab es viel Bilderbuchansichten. Die Stadt selbst lag in brütender Hitze. Der Unterschied zwischen Baumbepflanzung und purem Beton war sehr deutlich zu bemerken: es war eine Frage zwischen ‚demnächst Schmelzen‘ und ‚sofort Verdampfen‘. Mein aktueller Verbrauch liegt bei 3 Litern Flüssigkeit auf 40 Kilometer.


Mein Weg durch Rotterdam sollte mich in den Randbezirken betont parallel zu Autobahnen und Ausfallstraßen führen. Besonders beeindruckend fand ich die verschlungenen Wege die mich entlang der Straßen über die Autobahnkreuze führen sollten.
Inzwischen bin ich auf die zweite Wasserflasche umgestiegen - da klappts auch mit dem Lakritzen besser.
heute gab es keine Fotoziele. ich setzte mir, das ich auf jeden Fall erst um 19:00 nach einem Campingplatz suchen werde.
Das sollte mich zu Camping Menmerhoeve bringen. Hätte ich nicht im Internet nach einem Campingplatz gesucht, hätte ich das Ding nicht gefunden. So wirklich offensive Werbung machen die Plätze hier in der Gegend nicht - noch nicht mal wenn man direkt davor steht! Hier handelt es sich um einen Bauernhof mit Restauration und angeschlossenem Campingplatz für Wohnwagen und Zelte. Alles da was man von einem Campingplatz erwarten kann und super freundliche Betreiber.

home, sweet home...


Ich war froh als mein Zelt stand und ich mich unter die Dusche schieben konnte. Danach habe ich mir Nudeln gekocht, bei der Hitze aber überhaupt keinen Hunger auf irgendetwas. Vielleicht schmecken sie mir ja morgen…

Auf dem Weg zur Nudel


Ich scheuchte die Fliegen aus dem Zelt und legte mich Schlafen. Die heutige Tagesleistung: 120 Kilometer.

In der Nacht wurde ich vom Donnergrollen wach. Draußen war’s stürmisch geworden und Blitze ließen die Wolkendecke gespenstisch Flackern. Ich schloss die äußere Zelthaut damit’s wasserdicht wird und legte mich wieder pennen - so gut wie das eben in einem anschwellenden Gewitter mit ordentlich Starkregen funktionieren kann. Das Zelt hielt dicht während Draußen alles unternommen wurde um die Welt untergehen zu lassen. Die Temperatur fiel sehr schnell, so das mit einem mal ‚im Schlafsack‘ zu einer interessanten Idee wurde.
Morgens war das Gewitter vorbei und das Zelt war von Tauben nach allen Regeln der Kunst zugeschissen worden. Vor dem Einpacken durfte ich es ordentlich Schütteln um das Zeug einigermaßen ab zu bekommen.
Bis zur Abrechnung um neun war noch etwas zeit. ich setzte mich mit meinem Frühstück ins Restaurant und schrieb ein paar Postkarten, Noch war ich ja in den Niederlanden und es gab noch einiges an gekauften Briefmarken zu verbrauchen.
Der Himmel war immer noch bewölkt, es war sehr Windig und kühl. Das erste mal das ich meine Jacke raus suchte.
Im nächsten Ort fand ich einen Briefkasten. Wie sich herausstellen sollte, der letzte vor der Belgischen Grenze. Mit lustig Gegenwind ackerte ich mich mit durchschnittlichen zehn Stundenkilometern nach Belgien zu meinem ersten Ziel.Das sollte dann auch gleich die erste Enttäuschung sein: Auf dem Gelände befindet sich jetzt eine Reha-Klinik und das verlassene Schloss wird gerade fleissig abgerissen - doofe Sache, da bin ich wohl zu spät.
Vielleicht schaffe ich es ja heute noch zu meinem zweiten Ziel. Nach einer kurzen Frustrationspause setzte ich mich wieder in den Sattel und trat ordentlich in die Pedale. In einem Supermarkt besorgte ich mir ne ‚richtige‘ Limonade und gab dann ordentlich Kniegas.

Bis Antwerpen gab's noch Gegenwind, dann änderte sich meine Bewegungsrichtung so das ich den Wind im Rücken hatte und die Strecke führte lange Zeit entlang eines Kanals. Traumhafte Geschwindigkeiten waren das Ergebnis - und eine echt gute Stimmung bei mir.
Noch bei gutem Tageslicht erreichte ich Leuwen. Dort soll auf einem Rangiergleis der sogenannte Orientexpress stehen. Das Gelände war menschenleer aber der Zug war tatsächlich da. Obwohl, Zug ist wahrscheinlich schamlos übertrieben - es handelt sich um einen Waggon: Steuerkopf und ein Grossraumabteil mit üppig gepolsterten Sitzen - jetzt allerdings aufgeplatzt und vor sich hin rottend - wie leider auch der gesamte restliche Wagen. Es wurde ordentlich Scheiben eingeschmissen und randaliert. Von der ehemaligen Pracht dieses wirklich schön designten Triebwagens war nur noch eine rostig-verbeulte Ahnung übrig.


Ich machte das Beste aus der Situation und suchte mir danach einen Campinglatz in der Nähe. als ich kurz vor acht dort ankam sollte sich der Platz als reiner Trailerpark herausstellen. Die Betreiberin ließ sich aber beknien das ich auf einer freien Parzelle für eine Nacht mein Zelt aufstellen konnte. Leider kein funktionierendes Waschhaus aber ich fühlte mich besser als irgendwo in den Büschen. Tagesstrecke: 117 Kilometer.

8.August: Heute soll es nach Lüttich und darüber hinaus gehen.

Für heute war Regen angekündigt der zuverlässig eine Stunde nach Aufbruch auch einsetzte. Erst als Nieselregen mit kleinen Pausen, gegen Mittag dann auch gern mal als Wolkenbruch mit anschließendem Landregen. So richtig Spaß macht das nicht. Wenn ich nicht am Wochenende feste Termine hätte würde ich mir einen Campingplatz suchen und mich in meinem Schlafsack verkriechen.
Aber so ging es weiter. Die Wolkenbrüche verbrachte ich in glücklicherweise gefundenen Hauseinfahrten oder Bushaltestellen. Mein führte mich durch ein großes Obstanbaugebiet.
Mit zwei Stunden Zeitverlust trudelte ich in Lüttich ein. Die Stadt liegt am ende einer ziemlichen Gefällestrecke und hat so gar nicht viel von Fahrradfreundlichkeit. Bei den meisten Straßen sind keine Radspuren markiert und auf den Bürgersteigen geht’s auch nicht. Also. Abenteuer im Feierabendverkehr!


Das Navi hat im lauf des Tages die Wegmarken aus seiner Erinnerung gelöscht. Wo sind denn jetzt meine Ziele in der Stadt. Zum Glück weiss ich ungefähr wie die Gegend dort aussehen soll.
Lüttich sollte sich als Reinfall herausstellen - um das unterirdische Bahndepot zu betreten hätte man sich eine Brechstange und Dunkelheit mit bringen müssen und das alte Kino im Stil der Sechziger wurde gerade abgerissen - heute gibt es Frustrationsmomente - und schlechtes Wetter in rauen Mengen. Ich entschloss mich zum Schummeln und verfrachtete mich und mein Rad in den Zug nach Luxemburg. Immerhin muss ich morgen in Eppeldorf eintreffen - Samstag und Sonntag ist Workshop angesagt. Der Bahnhof ist ein echter Repräsentanzbau - steht im krassen Gegensatz zu den abgewirtschafteten Zügen der Belgischen Bahn und zu der in der Stadt deutlich wahrnehmbaren Armut.
Fahrradmitnahme und Buchung war kein Problem - man muss dazu bereit sein, sich und sein Rad eine Einstiegstreppe hoch zu werfen - das mit dem Bahnsteig auf Höhe der Zugtür war jetzt nicht so… Die knapp zweieinhalbstündige Zugfahrt führte mich durch reichlich schlechtes Wetter. In Luxemburg Stadt kam ich um halb elf an einen recht verwaisten Hauptbahnhof an. Wer dort noch unterwegs war hatte es eilig zu seinem Zug zu kommen oder beschäftigte sich mit Drogenverkauf - eigentümlicherweise sahen diese Leute genau so aus wie die Zuhause in Dortmund - ob man die für mich Luxemburg verfrachtet hat damit ich mich etwas heimischer fühle?
Egal - jetzt gab es nur noch ein Ziel: die Jugendherberge und dort ins Bett!

Montag, 6. August - Ijmuiden-Sandfort-Nordwijk

Heute also der zweite Versuch, Ijmuiden zu erreichen.
…und gleich wieder ganz toll gescheitert. Meine Hosts waren schon in ihr Leben aufgebrochen und ich war so dämlich, die Schlüssel für die Wohnung in den Briefkasten zu werfen bevor ich alles Gepäck zusammen hatte. Da stand ich nun doof vor der Tür und konnte erst mal schön warten bis André von seinem Auftrag zurück kam und mich an den Rest des Gepäcks lassen konnte. So bin ich dann auch erst um kurz nach 12 auf die Straße gekommen.
Trotzdem habe ich dann erst den Schlenker zur Küste gemacht - und es hat sich gelohnt selbst wenn das eigentliche Bunkermuseum nur jeweils am ersten Sonntag eines jeden Monats offen hat. In den Dünen um die Flussmündung bei Ijmuiden liegt ein Bunker neben dem anderen - sie sind teilweise frei zugänglich und liegen zueinander als hätte ein Architekt mit eigenartigem Geschmack dort eine Wohnsiedlung anzulegen versucht.


Diese Anlage ist dort seinerzeit zur Verteidigung der Flussmündung und der Schleusenanlage gebaut worden. Aktuell werden die Schleusen erweitert und umgebaut - die Schiffe sind inzwischen zu groß geworden. An der Flussmündung liegt auch die Stahlproduktion der Niederlande - jetzt im Besitz von TATA-Steel.

Einfamilienwohnungen der dreissiger Jahre...


Mit dem versauten Timing war nicht mehr daran zu denken das ich heute bis Rotterdam kommen könnte - ich setzte mir das Ziel, bis 19:00 einen Campingplatz zu erreichen. Der Weg führte die Küste entlang durch ein Dünen-Naturschutzgebiet mit toller Landschaft.
Ich kam auch durch Sandfort, das zu der Jahreszeit aus allen Nähten platzte - die SUV’s konnten sich kaum in den kleinen Straßen bewegen und die Strandpromenade platzte geradezu von Menschen - nichts, wie weg hier!
Heute endete die Strecke für mich in der Nähe von Nordwijk.

 

2.7.: Utrecht-Sandfort-Haarlem-Amsterdam

In einem Scaterpark zu übernachten der auch noch einen Durchgangsweg beinhaltet bedeutet gewisse Risiken. Zum Beispiel das sich Holländer auf dem Heimweg in dem Park unbeobachtet fühlen und daher gern und laut falsch singen - zum Beispiel diese Nacht.
Und das es eben eine Scateranlage gibt die bis Mitternacht beleuchtet ist - was dann auch schon mal heißen kann das da jemand um halb zwölf noch schnell ein wenig auf dem Board in der Halfpipe entspannt - ich wusste zuerst das ‚Klock-Klock‘ überhaupt nicht zuzuordnen als ich davon was wurde. Ich dachte erst an einen Kühl-LKW dessen Tür fortwährend geöffnet und geschlossen wird.

Trügerische Idylle im Grünen...

Trügerische Idylle im Grünen...


Und dann scheint es auch so zu sein das die LKW-Fahrer in den Niederlanden, durch das flache Land verwöhnt, doch eher den Schaltbedarf an einer Autobahnaufahrt mit Steigung unterschätzen. Da wird dann gern erst mal der Motor so derartig in die Untertourigkeit geritten das er fast absäuft und dann hektisch durch die Gänge geschaltet um zum Abschluss mit heulendem Diesel den ‚Berg‘ zu meistern. Fünf Kandidaten für diese Technik habe ich heute Nacht entdeckt.
Als ich Morgens durch auf das Zelt herunterprasselnde Zweige erwachte weil eine Taube bei der Landung im Baum über mir die halbe Krone zerstörte fühlte ich mich ein bisschen knittrig. Das nächste mal versuche ich eine wilde Übernachtung auf einem Friedhof - da ist es wenigstens ruhig…
Die Plünnen und das Zelt eingepackt und auf der Bank bei der Halfpipe Stullen und heissen Tee aus der Thermoskanne gefrühstückt. dann ging’s los zum Wasserlinienmuseum bei Bunnik.
Es handelt sich um eines von vielen Forts die in den Niederlanden zur passiven Verteidigung des Landes gebaut wurden. Diese Bauten dienten dazu das Land kontrolliert zu fluten wenn ein Feind kommt. Knietief sollte das Wasser stehen - zu flach um darin mit einem Boot fahren zu können aber tief genug um im Schlamm stecken zu bleiben und in den dann unsichtbaren Wassergräben zu ersaufen. Anwendung fand diese Technik beim Angriff Napoleons auf die Niederlande. Er wurde erfolgreich aufgehalten. Allerdings hatte man nicht damit gerechnet das er bis zum Winter bleibt, dann alles gefriert und man über das eins laufen kann. Die Soldaten versuchten zwar noch durch Aufsägen der Einsflächen das eindringen der Armee zu verhindern aber es sollte nicht funktionieren.
Im ersten Weltkrieg reichte beim Feind Deutschland das bloße Wissen um die Wirkung dieser Technik um das zu dem zeitpunkt neutrale Land vor einem Überfall zu bewahren. Damals hieß es: ‚die Technik zur Überflutung des Landes ist unsichtbar‘.
Im zweiten Weltkrieg hat das mit den Forts nicht geklappt - die Zeit hatte die Technik überholt. Oder besser: Die Deutschen kamen mit Autos und Flugzeugen - viel zu schnell um vorher noch eben das Land mit Wasser voll laufen zu lassen.
Als sich das Ende des Krieges abzeichnete machte sich die abziehende Wehrmacht allerdings die Technik selbst zu Nutze und setzte das Land unter Wasser - der Invasion ließ sich dadurch nicht aufhalten aber die damals ohnehin sehr arme Bevölkerung der ländlichen Gebiete verlor durch die Flutung quasi ihre komplette Existenz  - wie auch schon bei den Flutungen der Vergangenheit. Diese passive Verteidigung forderte auch ohne Krieg enorm hohe Opfer und war daher bei den ‚Anwohnern‘ nicht beliebt.


Das Museum ist didaktisch unterhaltsam gestaltet - ein König aus Filz und andere Protagonisten der Geschichte erzählen und multimedial was es mit den Forts auf sich hat und es gibt neben anderen informativen Exponaten auch richtige Zeitzeigenaufnahmen die von den Flutungen berichten - das war sehr berührend.
Heute ist diese Technik eindeutig Geschichte - aber dadurch das bis in die siebziger Jahre ein Gesetz verbot das man näher als einen Kilometer an die Forts heran baut sind sie in dem intensiv genutzten Land jetzt wertvolle Naturzonen.
Ich machte mich weiter auf den Weg nach Amsterdam - da ich vorher noch Bunker bei Ijmuiden besuchen wollte machte ich den direkten Weg an die Küste - der Weg folgte dem alten Rhein - ein toller Radweg durch noch viel schönere Landschaft. Entlang des sehr ruhigen Gewässers ist alles sehr schön bebaut und macht einen verschlafenen Eindruck. Der Radweg verläuft die meiste Zeit direkt am Wasser.

Der Radweg am alten Rhein


Mit der Ankunft an der Küste war dann die Beschaulichkeit vorbei - Touristisch, eben. Ich wollte einem Weg die Küste entlang nach Norden folgen, aber die eine oder andere Baumaßnahme sollte mich zum Ausweichen zwingen. Mein Weg führte mich immer mehr ins Landesinnere Richtung Amsterdam bzw. von den Bunkern weg. Es wurde zunehmend später so das ich meinen Plan entnervt verwarf und direkt zu André und Marcels Wohnung fuhr - dieser Reiseabschnitt sollte hier erst mal ein Ende finden.